Wer die Wahlerfolge der AfD allein auf den Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung reduziert, sieht an den dahinter liegenden Ursachen (bewusst?) vorbei. Die AfD hat besonderen Erfolg in den Regionen, wo es wenige Ausländer und wenige Flüchtlinge gibt, in denen jedoch die Arbeitslosigkeit besonders hoch und das Bildungsniveau eher niedrig ist. Diese Wählerschaft repräsentiert überwiegend die Abgehängten der neoliberalen Wirtschaftspolitik. AfD zu wählen ist hier ein Mittel, um die etablierten Parteien abzustrafen dafür, dass sie nichts für eine Steigerung der Einkommen und damit eine Verbesserung der Lebenssituation der unteren Schichten getan haben. Befragungen dieser Wählergruppe nach den Gründen ihrer Wahl haben weit überwiegend ergeben, dass man sich vernachlässigt fühlt und Angst hat, dass die Kosten für die Flüchtlinge zu weiteren Einsparungen und Steuererhöhungen für die unteren Einkommensgruppen führen.
Wer diese Wählergruppen für sich gewinnen will, muss nicht die Grenzen für Flüchtlinge dichtmachen, sondern spürbare Verbesserungen für die unteren Einkommensgruppen herbeiführen. Hierzu müsste vor allem die arg gebeutelte SPD ihre Agenda-2010-Politik dringend korrigieren. Erhöhungen von Hartz IV, Verbesserung von Fort- und Weiterbildung, Erhöhung des Mindestlohns und reale Lohnsteigerungen um die 5 % für einen längeren Zeitraum wären dazu dringend erforderlich und würden durch Steigerung der Inlandsnachfrage auch die Wirtschaftsentwicklung aus der Depression führen. Deutschland ist in Europa inzwischen zu einem Niedriglohnland geworden und kann es sich leisten, die bislang Benachteiligten angemessen am Produktivitätszuwachs teilhaben zu lassen.
Die CDU müsste ihre staatliche Sparpolitik aufgeben zugunsten von Investitionen in sozialen Wohnungsbau und Infrastruktur. Das würde Arbeitsplätze schaffen. Durch den Bau und Ausbau von Flüchtlingsunterkünften wurde die Bauproduktion in den vergangenen Monaten durch öffentliche Aufträge angestoßen. Das Ausbaugewerbe verzeichnet geradezu einen Produktionssprung. Weitere Arbeitsplätze sind entstanden durch Maßnahmen zur Unterstützung der Integration von Flüchtlingen. Das zeigt, wie schnell staatliche Investitionen eine positive Wirtschaftsentwicklung unterstützen. Und die CDU-Finanzpolitik, die dazu geführt hat, dass Sparguthaben in den letzten Jahren immer weiter an Wert verloren haben, muss aufgegeben werden, damit die unteren Einkommensgruppen nicht länger um ihre spärliche Zukunftsvorsorge bangen müssen. Ebenso ist eine Steuerpolitik zur Finanzierung staatlicher Investitionen erforderlich, die die Last des Steueraufkommens von den mittleren und unteren Einkommensgruppen nimmt und auf die bislang übermäßig bevorteilten hohen Einkommen verlagert.
Die Flüchtlingsproblematik zum „größten Problem Deutschlands“ hoch zu diskutieren, lenkt nur von einem solchen dringenden und grundlegend erforderlichen Politikwechsel ab.
(Quelle: ein Leserbrief eines Freundes an die HNA; typisch: der Leserbrief wurde um die letzten drei Abschnitte gekürzt – so konkret will man es bei der HNA nicht lesen!?)
Hier noch etwas Aktuelles zum AfD-Parteiprogrammentwurf: sehen Sie die Heute Show an Minute 6:40 mit einem aktuellen Werbespot der AfD.